Einleitung Kunstwissenschaftler

KUNST – GANZ NAHE

 

Wer Kunst sehen will, der weiß, dass er sie in Museen, Galerien und anderen Kunstinstitutionen jederzeit treffen kann. Doch längst nicht alle finden den Weg dorthin. Es gibt immer Gründe, warum so manche davor fremdeln und ihnen Kunsterlebnisse entgehen. Doch Kunst kann auch zu den Menschen kommen, kann ihnen auf Wiesen und Plätzen, in Parks und an Straßen, dominant oder zurückhaltend, offen oder versteckt begegnen, Kunst kann auch Blicke öffnen und Wege versperren.

Kunst im Öffentlichen Raum tritt in engeren Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern, mit den Anwohnern und den Vorbeieilenden, sie kann Zierde sein und Störung, schöne Form und tiefer Inhalt. Im Grunde genommen kann man sich ihr kaum entziehen, denn in der gewohnten Umgebung macht sie auf sich aufmerksam, verändert das Umfeld und die Wahrnehmung, setzt Akzente und fordert Beachtung.

Das Kunstprojekt „Rösrath wird zur Galerie“ ermöglicht genau das.

Es tritt in der Stadt überraschend reich, weiträumig und gut sortiert auf, es besetzt viele Stellen im öffentlichen, institutionellen und privaten Bereich. Die beachtliche Zahl an Kunstwerken macht es wahrscheinlich, dass die Bürgerinnen und Bürger immer wieder an Kunst vorbeigehen, stehenbleiben, schauen, nachdenken und auch oft darüber sprechen.

So wird Kunst zum Thema für Viele, für eine ganze Stadt, für Kenner und für wenig Erfahrene. Sie alle werden davon profitieren, denn Sehen, Erkennen und Vergleichen bilden die Grundlage für Kunstverständnis und – unabhängig vom persönlichen Geschmack – auch für Toleranz gegenüber ungewohnten und ungewöhnlichen Ausdrucksformen.

In Rösrath kann man nun eine Zeit lang und so oft man möchte, Kunst anschauen, sich ein Bild machen von der Qualität und dem Themenreichtum, von den Techniken und den vielen unterschiedlichen Handschriften der Künstlerinnen und Künstler von nah und fern. So geschieht Kunstvermittlung für alle Generationen sozusagen vor der Haustüre und unterwegs, beim Tagesgeschäft wie beim Spaziergang.

Und wir wissen: Kunst im öffentlichen Raum kann den Kunstbegriff der Menschen bewusst und unbewusst nachhaltig prägen sowie einen unübersehbaren Beitrag zur Bildung leisten.

Die Betrachter erleben für eine Zeitspanne, wie schöpferisch tätige Menschen die Welt im Großen und Kleinen wahrnehmen, was sie denken und fühlen, auf welche Art und Weise sie das in Formen umsetzen, wie sie uns die Augen öffnen. Diese Fähigkeit der Kunstschaffenden bereichert uns alle, immer wieder. Kunst setzt sich mit allem auseinander, was den Menschen angeht. Deshalb ist sie eine Sprache, die jedem etwas zu sagen hat. Sie lässt uns teilnehmen an einem unendlichen Einfallsreichtum und Formenschatz. Dabei werden auch die eigene Fantasie und Kreativität angeregt, die in unseren Zeiten oft zu kurz kommt. Grund genug, sich über diese Bereicherung des Stadtbildes sehr zu freuen.

Der engagierten Kuratorin muss man herzlich danken und gratulieren, den Betrachtern viel Freude und Erfahrung wünschen. Das Kunstprojekt „Rösrath wird zur Galerie“ kann sich wahrlich sehen lassen.

 

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Prof. Dr. Frank Günter Zehnder

Prof. Dr. Frank Günter Zehnder ist Kunstwissenschaftler und Professor am Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn. Von 1996 bis 2004 war er Direktor des Rheinischen LandesMuseums Bonn. Zuvor war er lange Jahre für das Kölner Wallraf-Richartz-Museum tätig. Seit 2009 ist er Direktor der Internationalen Kunstakademie Heimbach.